Joerg Rheinboldt
15 min readAug 31, 2018

--

This is my speech at HHL Handelshochschule Leipzig. Since I gave it in German and the translator asked for a transcript I have written it down. I have published it on my blog already some days ago but I want to share it here as well.

Festrede HHL

25. August 2018

Jörg Rheinboldt

Guten Tag, danke, dass ich hier sein darf!

Herzlichen Glückwunsch! Was für ein großer Tag!

Ich bin Jörg Rheinboldt. 46, verheiratet und Vater 14 jährige Zwillingssöhne.

Seit Anfang des Jahres bin ich Geschäftsführer bei APX, Axel Springer Porsche. Wir finanzieren junge Firmen als Frühphasen Venture Capital Investor.

Als ich mit Stephan darüber sprach, worüber ich an diesem Tag sprechen könnte, meinte er: Erzähl doch etwas aus Deinem Leben und ein paar Learnings, die hoffentlich inspirierend sind. Ich glaube nicht daran, dass Ratschläge gut funktionieren, Los geht's. Ihr müsst dann entscheiden, ob es inspiriert und ob Ihr etwas mitnehmen könnt und wollt von dem, was ich zu erzählen habe.

Heute ist ein großer Tag. In diesen Tagen geht für Euch ein Kapitel zu Ende und ein neues startet. Ich persönlich freue mich immer sehr, wenn ich solche Gelegenheiten habe und manchmal tue ich bewusst und unbewusst einiges, um wieder solche Gelegenheiten zu erzeugen. Sie können Quelle grosser Energie sein. Ich wünsche Euch, dass Ihr das Beste für Euch daraus machen könnt!

Man hat die Wahl: Gelegenheiten und Chancen

Mit 15 Jahren hatte ich mich für ein Stipendium für einen einjährigen USA Aufenthalt beworben. Den Platz hatte ich bekommen und wir hatten im Jahr zuvor einen Gastschüler aus Amerika bei uns aufgenommen. Chad war ein netter, aber auch spezieller Kerl. Er kam aus einer kleinen Stadt in einem großen und ziemlich leeren Staat mitten in den USA. Sein Leben drehte sich um wenige und übersichtliche Themen und darum, wie man verbotenerweise Alkohol bekommen konnte. In Bergisch Gladbach und Köln, wo ich aufgewachsen bin, hatte er als 16 jähriger eine ziemlich gute Zeit. (An die er sich wahrscheinlich teilweise nicht erinnern kann). Als ihn seine Eltern abholen kamen hatte ich einen kleinen Schock und dachte mir: “Wenn ich in einer solchen Gastfamilie lande, gehe ich wahrscheinlich ein.” Also habe ich am letzten Tag an dem das möglich war (bevor man seine Familie kennenlernt) meinen Platz an AFS zurückgegeben. Mein Betreuer dort meinte, dass meine Gastfamilie auch noch nicht über mich informiert sei und dass die Nachrückerin auf meinen Platz zufällig eine Mitschülerin von mir an meiner Schule sei und - da die Familie Mädchen oder Junge aufnehmen würde - er ihr jetzt meinen Platz geben würde. Das hat er gemacht. Einige Stunden später rief mich Sabine an und meinte: “Wie cool. Ich habe Deinen Platz bekommen. Vielen Dank! Ich ziehe nach Hawaii!” Zwei Learnings: 1. Keine Angst! 2. Nimm Chancen wahr. Seit diesem Erlebnis tendiere ich dazu zu vielem erst einmal “Ja” zu sagen und beim dabei sein zu entscheiden, wie meine Meinung sich dazu entwickelt.

Du kannst jeden alles fragen! Und Du bist Deine eigene Grenze

Nach dem Abitur und Zivildienst fing ich an, Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln zu studieren. Die Vorlesungen mit 350 Kommilitoninnen und Kommilitonen und die fehlende Interaktivität und Austausch mit meinen Professorinnen und Professoren haben mir nach einem Semester ziemlich zugesetzt: Mir war extrem langweilig. Damals habe ich nicht darüber nachgedacht, dass ich ja auch die Universität wechseln könnte, sondern ich habe geschaut, was ich neben der Uni noch machen könnte. Ein Zufall in Form eines Bekannten, der mich mit jemand anderem verwechselte, brachte mich in Kontakt mit dem OFW. Eine Studenteninitiative, die Konferenzen für Studenten und Wirtschaft in Köln organisiert. Das 1993er Team war gerade dabei sich zu konstituieren und sie waren dabei, ein Thema auszuwählen. Ich war dabei und als Thema wählten wir “Ressource Information” und wollten an zwei Tagen herausarbeiten, wie die Digitalisierung die Art wie wir arbeiten und wie Geschäftsmodelle funktionieren, verändern würde.

Wir haben dann überlegt, wer relevante Beiträge zur Diskussion beitragen kann und kamen relativ schnell darauf, dass wir Bill Gates einladen sollten. Wir haben dann einfach bei Microsoft in Seattle angerufen und gefragt, ob er bei uns sprechen würde. Die erste Antwort war, dass er nicht auf kommerziellen Konferenzen spricht. Da wir eine Studentische Konferenz waren, konnten wir diese Klippe umschiffen. Die nächste Defensiv-Stufe war dann: Wenn Ihr hierher kommt, bekommt ihr 5 Minuten, um ihn zu überzeugen. Ich glaube, sie haben nicht damit gerechnet, dass wir das Angebot annehmen könnten. Einer von uns ist dann nach Seattle geflogen, hat 5 Minuten mit Bill Gates bekommen und er hat dann entschieden, dass er gerne auf unserer Konferenz sprechen möchte. Auch deshalb, weil wir gleichzeitig zur CeBIT stattfanden, die er besuchen wollte. Nachdem wir ihn als Speaker hatten, konnten wir jeden Speaker bekommen, den wir wollten. Das haben wir dann ausgenutzt und eine ziemlich gute Konferenz organisiert.

Damals war das Web gerade erfunden und es gab eine Diskussion über Themen wie: “Was wird sich durchsetzen: Das Internet oder proprietäre Onlinedienste?” Wir haben dann alle kurz gedacht: Super, das Internet und das freie Web gewinnt. Leider hat sich das dann in der Folge anders entwickelt: die großen, geschlossenen Systeme haben das Internet übernommen und die Convenience der Services von Facebook und Google bringen uns alle dazu, uns in geschlossene Gärten zu begeben.

Rucksack Folge 1: Keine Schulden, alle Chancen, erste Firma

Der Vater eines meiner Freunde war Vorstand eines mittelständischen Verlagshauses und wir unterhielten uns darüber, was die Digitalisierung für seine Industrie bedeuten könnte. Wir waren uns einig, dass die Umwälzungen massiv sein würden, und er lud uns ein, unsere Gedanken hierzu einmal in seinem Vorstand zu präsentieren. Nachdem wir eine ziemlich heftige Präsentation gehalten hatten, fragte uns einer der Besitzer des Verlages, ob wir das auch alles bauen könnten. 10 Minuten später hatten wir eine neue Aufgabe: Wir arbeiteten an der Digitalisierungsstrategie und fingen an, eine Suchmaschine, einen ISP und ein kommunales Informationssystem zu bauen.

Da wir unbedingt weiter studieren wollten, und uns nicht beim Verlag anstellen lassen wollten, haben wir das als freie Mitarbeiter gemacht und Rechnungen geschrieben. Unser Steuerberater meinte, dass wir einen zweiten Kunden bräuchten, um nicht scheinselbständig zu sein und dass wir eine Gesellschaft gründen sollten. Wir gründeten eine GmbH, hatten in meiner Küche die Idee, sie denkwerk zu nennen und fanden über einen netten Zufall unseren zweiten Kunden: Mustang Jeans. Zusammen mit ihnen und Viva (das war ein Musiksender :-)) bauten wir dann einen Concept Store/ Internetcafe in Köln. Den Jam Store. Dafür haben wir einen Preis als bestes Internetcafe in Deutschland gewonnen. Das war nicht schwer, denn es gab kaum welche. Das wiederum führte dazu, dass wir immer mehr Kunden gewannen, die mit uns arbeiten wollten.

Unsere Idee war, dass wir denkwerk rein aus dem Cashflow aufbauen würden: Wir hatten kein Geld zum investieren, und was wir investierten, haben wir vorher verdient. Damals haben wir zum ersten mal darüber gesprochen, dass man in der Zeit im Studium und auch kurz danach einen “kleinen Rucksack” mit sich herumträgt: man ist ziemlich frei, meistens nur für sich selbst verantwortlich und kann machen, was man will. Das ändert sich später und für eine gute Lebensplanung muss man immer auch den eigenen Rucksack berücksichtigen. 5 Jahre lang haben wir denkwerk zusammen von ganz klein zu fast 40 Mitarbeitern und ein paar Millionen EUR Umsatz im Jahr aufgebaut. Dann ist passiert, was mir normalerweise alle 5 Jahre passiert: Ich bekam einen Bore-Out.

Bore-Out; Venture Capital, alando.de und eBay

Mit einem Freund, Oliver Samwer, sprach ich Ende 1998, Anfang 1999 viel darüber, was wir mit unseren Leben machen wollten. Ich hatte seit dem Sommer 1998 das Gefühl, dass das Agenturleben nicht meins sei. Obwohl alles funktionierte und wuchs, hatte ich das Gefühl, dass ich etwas Neues machen müsste. Mit Oli und meinen späteren Mitgründern sprachen wir viel darüber, dass wir eine Venture Capital basierte Company bauen wollen. Oli fuhr nach Amerika und interviewte mehr als 100 Founder von Venture backed Companies dazu, warum sie erfolgreich waren und wir überlegten, was wir daraus lernen und für uns anwenden könnten:

Wir wollten eine Firma gründen, die schnell wachsen kann, die wir aufbauen und dann nach zwei Jahren an die Börse bringen wollten. Sie sollte Nutzen für alle stiften und möglichst ein Geschäftsmodell haben, bei dem wir Erfolg haben, wenn unsere Kunden erfolgreich sind. Anfang 1999 hatten wir die Idee einen Marktplatz zu bauen. Relativ schnell konnten wir beschreiben, was wir machen wollten: Einen Marktplatz für nahezu alles und nahezu jeden und Hardcore Kapitalismus und Globalisierung für alle. Wir wollten es allen ermöglichen Ihre Produkte zu verkaufen und zu kaufen. Anfang 1999 gab es noch nicht viele venture-backed Companies in Deutschland. Wir wollten mit einigen Business Angels und am liebsten zwei VCs starten. Wir konnten ein paar super Angels für uns gewinnen und haben mit 10 VCs gesprochen und uns mit zweien geeinigt und die alando.de AG gegründet. April 1999 sind wir mit alando.de online gegangen.

Was habe ich dort gelernt: Es ist wichtig Träume und Phantasie zu haben. Man muss sich Erfolg vorstellen können. Außerdem ist es wichtig, Träume in Pläne und Hypothesen übersetzen zu können und diese dann möglichst granular in Multivariaten Tests in die Realität zu übersetzen. Das ist viel auf einmal. Aber es ist essentiell:

Man muss groß denken und die Frage “Wie sieht Erfolg aus?” gut beantworten können.

Träume muss man qualifizieren und quantifizieren. Die Mengengerüste und Zusammenhänge (conversions) muss man möglichst kleinteilig überprüfen.

Und dann braucht man “nur noch” mit der Realität zu arbeiten und sich Schritt für Schritt zum Erfolg vorwärtsarbeiten.

Das hat mit alando ganz gut funktioniert. Wir sind ziemlich schnell gewachsen und unser Timing war nicht schlecht: Das Internet war 1999 in einer absoluten Hype Phase und die ersten globalen Internet Companies sind entstanden. Auf Grund der zur Verfügung stehenden Finanzierungen allerdings eher in den USA als in Europa. Ebay hatte einen erfolgreichen Börsengang gemacht und war damit beschäftigt zu wachsen. Als wir begannen unsere zweite Finanzierungsrunde zu organisieren, hat uns eine der Banken, mit denen wir sprachen, dann gefragt, ob wir Pierre Omidyar, den Gründer von ebay treffen wollen. Wollten wir. Wir haben uns mit Pierre verabredet und waren gespannt, was das für ein Typ sei: erfolgreicher Founder, Milliardär, jung. Wir wollten uns für 90 Minuten treffen, haben uns dann für ein paar Stunden darüber unterhalten, wie man einen globalen Marktplatz baut und wie man mit Kunden, Mitmachern und Menschen generell umgehen sollte. Am nächsten Tag haben wir uns darauf geeinigt, dass wir alle am liebsten gemeinsam weitermachen wollen. Den Verkauf von alando an ebay zu organisieren hat dann noch mal einige Wochen Arbeit bedeutet, aber im Juli 1999 haben wir gemeinsam bekanntgegeben, dass alando.de ebay Deutschland wird.

Ebay hat uns wunderbar “alleine” machen lassen, und wir sind extrem schnell weiter gewachsen. Nach einigen Monaten wollten meine Co-Founder andere Themen angehen und ich hatte grosse Lust ebay in Deutschland weiter zu bauen. Das habe ich dann mit Philipp Justus und einem super Team über die nächsten 5 Jahren gemacht.

Diese Jahre waren so organisiert: Meine Freundin (heute Frau) hat zuerst in Köln gewohnt und ich in Berlin. Dann ist Dina nach Paris umgezogen, wo sie für AXA gearbeitet hat. Wir haben ein ziemliches Yuppie Leben geführt: In der Woche viel arbeiten und am Wochenende Zeit in Berlin, Paris, Köln oder woanders. Das war eine Zeit lang sehr schön.

Zwischendurch habe ich sehr viel gelernt:

Im Team zählt die Qualität der einzelnen Mitglieder. Eine Organisation ist wie ein Korb Äpfel: wenn man einen faulen hineinwirft kann er alle anderen infizieren.

Auch in einer sehr freien Organisation braucht man Regeln und Systeme

Internationale und diverse Organisationen können sehr erfolgreich sein, wenn man die richtigen Wege findet miteinander zu arbeiten.

Granulares vs. episches Scheitern: Lieber klein scheitern als gross. Das ist einfacher und erfolgreicher als man denkt. Wenn man verschiedene Varianten testet, lernt man aus dem kleinteiligen Scheitern und gewinnt immens.

Man kann viel mehr machen, als man denkt. Und viel mehr testen.

Ein Set von gemeinsamen Werten ist wichtig. .(keine Floskeln)

Verantwortung und Gestaltungsspielräume gut zu verteilen ist genauso wichtig.

Wenn man richtig Chaos und Unruhe anrichten möchte: Einfach über Titel-Systeme und Sitzordnung sprechen.

Und noch viel mehr.

Dann kam er wieder: der Bore-Out und das Gefühl, dass es Zeit für Veränderung ist.

Die Veränderung kam nachhaltig: Dina und ich haben geheiratet und unsere Zwillinge waren auf dem Weg. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich meine ebay Leben mit meinem Verständnis davon, ein guter Vater sein zu wollen, vereinbaren kann. Also habe ich mit 8 Monaten Vorlauf bei ebay gekündigt und mich selbst ersetzt. Der Abschied war bitter-sweet.

M10, Work-Life Balance? Multidimensionalität

Dann kam eine Phase der Multidimensionalität. Ich habe relativ schnell herausgefunden, dass es gar nicht darum geht, eine Balance aus Arbeit und Leben herzustellen, sondern vielmehr darum, die Mischung optimal zu gestalten: Mein Work Life Blend. Der führt dann zu einem balancierten Leben.

Und das ist etwas sehr persönliches. Ich habe gar kein Problem damit am Wochenende oder am Abend meine Nachrichten zu bearbeiten oder an einem Konzept oder Plan zu arbeiten. Man muss den “Blend” nur für sich und das Umfeld immer wieder festlegen und anpassen. Es ist wichtig, dass jeder weiss, was man voneinander erwartet: Zum Beispiel nicht eine Antwort auf eine Nachricht, die Sonntags geschickt wird. ;-) Außerdem ist die Frage spannend, für welchen Zeitraum man seinen Blend und damit die Balance organisieren möchte: Der Tag als Zeitraum ist zu kurz, weil es manchmal einfach harte Tage gibt. Das Leben als Einheit ist zu lang. Vielleicht stirbt man zwischendurch.... Ich denke mindestens einmal im Quartal über meine Balance nach und achte auf “Weak-Signals” wenn ich aus der Balance gerate.

Seit die Zwillinge geboren sind, ist meine Zeit anders organisiert. Und da meine Frau und ich schon immer der Meinung waren, dass wir beide an unseren Karrieren arbeiten können und wir gleichzeitig versuchen gute Eltern zu sein, die Zeit mit ihren Kindern haben, haben wir unser Leben immer versucht so zu organisieren, dass wir beide unsere optimalen Work Life Blends hinbekommen: Dina, die nach ihrer Elternzeit zwei Tage in der Woche in Köln arbeitete und ich in Berlin. 2004 sind die Zwillinge geboren, Ich habe 2005 angefangen mit M10 in Startups zu investieren, und 2008 habe ich mit Freunden zusammen betterplace.org gegründet.

Dann kam eine Zeit der “Multidimensionalität” in der ich sehr viele Themen gleichzeitig bearbeitet habe:

Meine Familie und ihre fragile Logistik

M10 und die Startup Investments

SimplySeven, ein Buch über digitale Geschäftsmodelle

Einstein (eine Coffeeshop Kette in Berlin)

Dozententätigkeit an verschiedenen Unis

TEDx nach Deutschland holen mit Veranstaltungen in Berlin, München und Hamburg

Rucksack Folge II: Aufräumen

2006 hatte ich auf einmal das Gefühl, dass mir viele Dinge, die mir vorher wichtig waren, nicht mehr so wichtig sind. Das begann mit meinen Autos, die ich auf einmal als Belastung und nicht mehr als Lebensqualität empfand und ging so weit, dass Dina und ich unser Grundstück am See gar nicht mehr so wichtig fanden. Wir hatten gemeinsam eine ziemlich schnelle Phase, in der wir beide zur Erkenntnis gekommen sind, dass wir in der Stadt (Berlin) leben wollen und ich ganze viele Sachen eigentlich gar nicht brauche..

Wie immer hat auch in dieser Phase nicht alles funktioniert: bei allem was - zum Glück und mit viel Freude - geklappt hat, hatte ich mit einem betrügerischen „Freund“ und Geschäftspartner und einem heftigen Autounfall inklusive vieler gebrochener Knochen zu kämpfen. Am Ende scheint aber alles glimpflich auszugehen.

Was mir in der ganzen Zeit extrem geholfen hat, ist dass ich immer ein gutes Netzwerk von Freunden und auch Geschäftspartnern um mich herum hatte, denen ich - bis auf einem - vertrauen konnte. Für 10 Jahre war ich Mitglied bei der Young Entrepreneurs Organisation (später EO). Mit meinem Forum habe ich mich einmal im Monat getroffen und wir haben Erfahrungen miteinander geteilt. Das ist eins meiner Schlüssel-Learnings aus der Zeit: Erfahrungen teilen ist so viel wertvoller als Ratschläge bekommen. Außerdem funktionieren Ratschläge für viele Founder nicht, weil sie automatisch bedeuten, dass der Ratschlag gebende über dem Empfänger steht. Das macht es manchmal unnötig schwer durchzukommen oder etwas anzunehmen.

Learnings aus der Zeit:

Unzufriedenheit = Hunger!

Ich bin notorisch unzufrieden. Ich freue mich sehr daran, wenn etwas funktioniert aber ich bin dann nie ruhig sondern muss dann sofort an der besseren Version arbeiten. Das treibt mich und mein Umfeld zuweilen in den Wahnsinn. Seit ich für mich akzeptiere, dass es einfach so ist und ich darauf achte, dass zum einen meinen Mitmachern transparent zu machen, und zum anderen mit Leuten zusammenzuarbeiten, die auch diesen Hunger nach mehr verspüren, ist mein Leben glücklicher.

Systeme der Selbstorganisation

Viele meiner Kolleginnen und Kollegen und vor allem mein M10 Partner Stephan nutzen Systeme der persönlichen Organisation, die sie seit Jahren inkrementell verbessern. Ich habe das auch immer versucht und bin daran fast verzweifelt, dass ich immer wieder neue Systeme brauche. Mal mache ich Notizen auf Papier, mal Mindmaps, mal alles digital, und immer wieder nutze ich unterschiedliche ToDo, Notiz und Zeitplanungssysteme. Irgendwann habe ich akzeptiert, dass ich diese Wechsel brauche. Was mir (und meinem Umfeld) extrem hilft ist, dass ich dabei den Impact auf meine Umwelt minimal halte: Ich habe einen verbindlichen digitalen Kalender und ein digitales Archiv, in das alle meine Notes wandern. Egal ob als Dokument, Scan oder Foto.

Netzwerke

Meine Freunde und mein Netzwerk aus Geschäftspartnern und Menschen, denen ich in meinen vielen verschiedenen Welten begegne hilft mir extrem die vielen Themen, mit denen ich mich beschäftige voranzubringen. Es hat sich schon mehr als einmal bewährt alle Menschen respektvoll zu behandeln und man sieht sich tatsächlich immer mindestens zweimal. Außerdem ist auch in Zeiten überlaufender Inboxen und Terminkalender ein Netzwerk von Menschen, die wissen, was sie aneinander haben und füreinander da sind, unschlagbar. Im privaten wie im geschäftlichen.

Im Moment sein

Gerade wenn man sich mit vielen Themen beschäftigt und man viele Dinge vermeintlich gleichzeitig oder in schneller Sequenz machen möchte oder muss, ist es mir immer extrem wichtig, nicht schon mit den Gedanken beim nächsten Thema zu sein. Oder darüber zu grübeln was noch alles kommt. Ich gebe mir extrem Mühe immer genau in diesem Moment zu sein, in dem ich bin, denn da will ich ja sein. Das führt manchmal dazu, dass ich eine extrem selektive Wahrnehmung habe, da ich alles, was mich ablenken könnte, ausblende. Aber am Ende des Tages ist es am besten immer dort zu sein, wo man ist und sich manchmal explizit Gedanken darüber zu machen, wo man sein möchte.

2013 hatte ich das Gefühl, dass mein Leben extrem zerfasert ist und hatte sehr grosse Lust darauf, mich auf ein Thema zu konzentrieren. Nachdem ich bei der Telekom geholfen hatte, hubraum aufzubauen, aber gemerkt habe, dass die Organisation und ich nicht längerfristig zueinander passen, habe ich mich extrem gefreut, als mich ein Freund, der bei Axel Springer arbeitet, ansprach und fragte, ob ich Lust hätte, in der Jury mitzumachen, die Startups für den neuen Accelerator von Axel Springer und Plug and Play Tech Center auszusuchen. Nach ein paar Wochen war ich nicht nur in der Jury, sondern auch Geschäftsführer von Axel Springer Plug and Play.

Auf der Suche nach Mustern: Was macht Firmen erfolgreich?

Bei Axel Springer Plug and Play haben wir von Anfang an versucht zu verstehen, was Gründerinnen und Gründer erfolgreich macht: Ich glaube, dass einige dieser Learnings nicht nur für Startups gelten. Am Ende des Tages kommt es bei frühphasen Startups auf drei Fragen an:

Warum Ihr?

Warum das?

Warum jetzt?

Mit der ersten Frage versuchen wir zu ergründen, ob dieses Team (das sind mehrere Leute!) in der Lage ist, die Idee erfolgreich umzusetzen. Außerdem schauen wir, welche Fähigkeiten im Team noch fehlen, bzw. Wie wir mit dem Team in dieser Einschätzung übereinstimmen und wie die fehlenden Menschen ergänzt werden sollen. Werte und Purpose.

Mit der zweiten Frage wollen wir die Idee, das mit ihr zusammenhängende Geschäftsmodell und die Mengengerüste und Conversions verstehen. Hierbei geht es um qualitative und quantitative Einschätzungen. Hier interessiert es uns besonders, wie das Team aus Phantasie und Träumen Hypothesen formulieren kann und uns erklären kann, wie sie das alles operationalisieren wollen.

Die dritte Frage ist gar nicht so kompliziert aber existenziell wichtig: Ist jetzt der richtige Moment, diese Firma zu gründen? Dabei kommt es auf technische Entwicklungen, Timing im Markt aber auch auf das Timing in der Venture Welt an. Wenn man mit seiner Idee ein paar Wochen zu spät ist, haben die großen Investoren eventuell schon in die Wettbewerber investiert und es gibt einfach keinen Zugang zu gutem Kapital.

Mit AS PnP haben wir in den letzten fünf Jahren in 102 Firmen investiert. Dabei sind zum glück einige extrem erfolgreiche - wie zum Beispiel N26 - und einige erfolgreiche Firmen. Mehr als die Hälfte der Startups in die wir investiert haben, existiert noch. Das ist eine gute Quote. Und durch den Wertzuwachs, den die Firmen über die vielen Finanzierungsrunden erreicht haben, gibt es eine gute Wahrscheinlichkeit, dass AS PnP über die Lebensdauer profitabel wird.

Spannend war, dass diesesmal nicht nur ich einen Bore Out bekommen habe, sondern gleichzeitig mit meiner: “Is this as good as it gets” Laune auch beide Gesellschafter anfingen sich zu fragen: wie geht es weiter und was kommt jetzt? Herausgekommen ist aus diesem zuweilen anstrengenden aber insgesamt “erfrischenden” Prozess APX: Ein Joint Venture von Axel Springer und Porsche das in junge Firmen investiert. Das machen wir seit März 2018, haben in 8 Firmen investiert und haben ein rollierendes Programm entwickelt, so dass wir jeden Monat neue Firmen bei uns aufnehmen können.

Bei APX haben wir noch mal viel Zeit und Energie investiert ein richtig gutes Team aufbauend auf dem ASPnP Team aufzubauen: Meine Kollegen haben viel Venture und Startup Erfahrung und kommen aus Deutschland, Kanada, Frankreich, Israel, Schweiz, der Türkei - und unsere Wurzeln sind noch viel verzweigter.

Außerdem haben wir uns gefragt, was Startups auf dem Venture Pfad erfolgreich macht und sind dabei auf einige elementare Dimensionen von Venture Readiness gekommen.

Eine wichtige Erkenntnis aus meiner Arbeit mit großen Firmen ist, dass sehr oft Themen auf Entweder/ oder Fragen reduziert werden. Dabei sind es sehr oft die “sowohl/ als auch” Lösungen, die die Richtigen sind und zu viel besseren Ergebnissen führen.

Findet mich das Glück?

Eins meiner “Lieblings-Gebrauchs-Kunstwerke” kommt vom schweizerischen Künstlerduo Fischli und Weiss, sie haben im Jahr 2002 Fragen gesammelt und in einem kleinen Buch herausgebracht. Eine der Fragen, die sie mit weißem Stift auf schwarzen Karton geschrieben haben, ist “Findet mich das Glück”. Das Buch mit dieser Karte liegt in verschiedenen Räumen bei uns zu Hause herum. Ich glaube, dass man Glück haben kann. Ich bin überzeugt, dass man danach streben muss. Und ich bin sicher, dass man sich bewegen muss, damit das Glück einen trifft.

Insofern:

Alles gute für Euch und viel Erfolg in einem glücklichen Leben!

@joerg

--

--